Das „Gesicht“ der FernUniversität in Coesfeld

„Es geht mir vor allem um Menschen“: Seit 40 Jahren ist Bärbel Thesing auf dem Campusstandort im Münsterland tätig, heute als Leiterin. Sie ist Absolventin und Fan der Hochschule.


Foto: FernUniversität
Bärbel Thesing

Der Text der Stellenausschreibung passte bestens zur Lebenssituation von Bärbel Thesing: Gesucht wurde eine Mitarbeiterin für das damalige Studienzentrum der FernUniversität in Coesfeld, die bereit war, nachmittags und abends zu arbeiten. „Das kommt mir ganz gelegen“, dachte sich die junge Mutter, deren Mann im Wechseldienst bei der Polizei arbeitete. Zwar hatte sie nie im Büro arbeiten wollen, weil ihr das zu langweilig zu sein schien. Aber neun Stunden pro Woche, zu festen Zeiten, in einer alten Villa, das war für die damals 22-Jährige schon okay. In einem irrte sie sich allerdings: Langweilig war es bei der Arbeit an der FernUniversität nie. Die ganzen 40 Jahre lang nicht, die sie inzwischen hier tätig ist – als Studienberaterin, Mitarbeiterin in der Geschäftsstelle und heute als Leiterin.

Schnell nahm die Zahl der Arbeitsstunden für Bärbel Thesing zu: Aus neun wurden, 12, dann 15 und 18 pro Woche. Heute ist es ein Full-Time-Job – und oft auch noch mehr. Noch stärker als die Arbeitszeit stieg das persönliche Engagement von Bärbel Thesing für die Hochschule.

FernUni wurde Teil des Lebens

„Zunächst stand die FernUniversität in Hagen für mich ja noch nicht so im Mittelpunkt, aber sie wurde immer mehr zu einem Teil meines Lebens“, erinnerte sich Bärbel Thesing zurück. Das lag nicht zuletzt daran, „dass ich immer von ihrem Bildungsauftrag überzeugt war“. Und diesen lernte sie auch selbst „von innen“ kennen – als typische Studentin, mit Beruf und Familie: „Wenn es die FernUni nicht gegeben hätte, hätte man sie erfinden müssen. Erst durch mein Bachelorstudium ‚Erziehungs- und soziale Verhaltenswissenschaften‘ habe ich die Chance bekommen, hier in Coesfeld zum 1. Oktober 2009 die Leitung zu übernehmen. Es hat mir hinsichtlich meiner Führungsaufgaben sehr geholfen!“

Vor allem bei der Menschenführung: „Sie ist aufwändig, aber es geht mir vor allem um Menschen“, betont Bärbel Thesing. „Ich versuche immer, zusammen mit meinem Team gute Lösungen zu finden.“ Doch gibt sie auch zu, dass sie diese Herausforderung zunächst unterschätzte: „Das muss man einfach ‚erleben‘! Nur mit einem funktionierenden Team ‚läuft es‘ in einem Studien- oder Regionalzentrum. Und nur damit kann es auch weiterentwickelt werden. Aber ich sehe, wie hoch die Motivation meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ist.“ Es geht darum, dem Zentrum gemeinsam eine „vernünftige“ Form zu geben. Dafür gehört auch, „gut mit externen Partnerinnen und Partnern zu kooperieren und dafür zu sorgen, dass die FernUniversität nach außen „ein Gesicht“ hat und behält: „Ich will die FernUni bekannter machen. Daran hängt mein Herz.“

„Auf Augenhöhe“ mit Zentren in Großstädten

Foto: FernUniversität
Vor der Corona-Krise kamen bis zu 100 Interessierte zu den Präsenzveranstaltungen der BürgerUni ins WBK. Heute nutzt das Veranstaltungsteam Streams.

Aufgrund der erfolgreichen Arbeit, die das Coesfelder Zentrum leistete, wurde es am 3. November 2009 zum Regionalzentrum umgewandelt, mit mehreren angehängten Studienzentren. Dass das Zentrum in der 36.000-Einwohner-Stadt mit den anderen Zentren – alle in deutschen Großstädten – „auf Augenhöhe“ ist, macht seine Leiterin schon ein bisschen stolz. Sein Einzugsbereich reicht über den Norden von NRW weit hinaus bis nach Norddeutschland.

Und es kann mit einer Besonderheit dienen: der „BürgerUniversität Coesfeld“, die heute von der Ernsting´s family-Stiftungsprofessur für Mikrosoziologie unter Leitung von Prof. Dr. Dorett Funcke verantwortet wird. Sie stellt aktuelle Diagnosen und Fragen zur Zukunft der Gesellschaft einer breiten, wissenschaftlich interessierten Öffentlichkeit vor. Organisiert wird sie vom Team des Regionalzentrums, die Veranstaltungen finden im WBK – Wissen Bildung Kultur statt, in dem auch das Zentrum seinen Standort hat.

Wissenschaft und Wirtschaft zusammengebracht

Ohne die Arbeit des Coesfelder Teams im Hintergrund dürfte es die „BUC“, für die Corona-bedingt inzwischen auch digitale Verbreitungswege gefunden wurden, in seiner jetzigen Form wohl kaum geben.

Bärbel Thesing kamen auch hierbei ihre guten Kontakte in die regionale Wirtschaft zugute. Denn über die Betreuung der Studierenden hinaus ist es für sie auch wichtig, die FernUniversität in Schulen und in Unternehmen der Region als Alternative zum konventionellen Studieren und Weiterbilden bekannter zu machen. Regelmäßig geht sie in Unternehmen und hält Vorträge vor Auszubildenden.

Ein Glücksfall war auch, dass das ehemalige Wehrbereichskommando in Coesfeld durch die Unternehmerfamilie Ernsting zu einem Zentrum für Wissen, Bildung und Kultur (WBK) umgewandelt wurde, in das auch das Studienzentrum – das spätere Regionalzentrum – im April 2001 einzog. Hier lernte sie Kurt Ernsting kennen und bekam durch ihn tiefe Einblicke in die Welt der Wirtschaft. Der Gründer der Ernsting's family war an den Erkenntnissen der Wissenschaft zur Zukunft der Gesellschaft brennend interessiert. Und er wollte etwas für die Region und ihre Menschen tun.

Auch die Pflege der Kontakte mit und zwischen Alumnae und Alumni der FernUniversität ist für Bärbel Thesing außerordentlich wichtig: „Daraus ergeben sich Kooperationen, Exkursionen und andere Möglichkeiten für unsere Absolventinnen und Absolventen, die eigenen beruflichen und persönlichen Perspektiven zu verbessern. Auch die Unternehmen der Region können dadurch Vorteile im Personalbereich haben.“

Lieber mit dem Fahrrad ins WBK

Foto: Veit Mette
Das WBK ist auch FernUni-Campusstandort in Coesfeld.

Bärbel Thesing hat auch einige Monate lang das Arbeiten in der zentralen FernUni-Verwaltung kennengelernt. Eine interessante Erfahrung für sie: „In Coesfeld war ich lange auf mich alleine gestellt, als Generalistin sozusagen.“. Hatte sie keine Lust, ganz nach Hagen zu kommen? „Nein, ich fahre lieber mit dem Fahrrad ins WBK.“

So will sie noch einiges in den Stil stoßen, um das Regionalzentrum noch besser auf die Zukunft vorzubereiten. Die BürgerUni soll nach der Corona-bedingten Digitalisierung wieder „persönlicher“ werden. Zusammen mit Prof. Dorett Funcke müssen spannende Themen gefunden und interessante Vortragende gewonnen werden. Der Alumni-Kreis soll durch neue Ideen und Initiativen noch mehr „befeuert“ und weitere Kooperationspartnerinnen und -partner gefunden werden, ohne die bewährten zu vernachlässigen.

„Ein wahres Lebenswerk“

Foto: FernUniversität
Kirsten Pinkvoss (li.) konnte Bärbel Thesing wegen der Corona-Situation nur online zu ihrem Jubiläum gratulieren.

Kirsten Pinkvoss, die Leiterin der Zentralen Betriebseinheit Campusstandorte, gratulierte ihrer Mitarbeiterin bei einer kleinen Online-Feier zu dem Jubiläum und dankte ihr herzlich für ihre Arbeit: „Bärbel Thesing ist ‚das Gesicht‘ der FernUniversität vor Ort!“ Ihre Erfahrung, ihr Engagement und ihre Kompetenz haben den Standort Coesfeld zu dem gemacht, was er ist. „Ohne ihre Freundlichkeit, Zuverlässigkeit und gute Arbeit – nicht nur für Studierende, sondern auch für die FernUni selbst, für die Stiftungsprofessur, Kooperationen und Alumni – wäre der Standort niemals so erfolgreich. Das ist ein wahres Lebenswerk.“

Gerd Dapprich | 13.12.2021