Über (Un-)Gleichungen ans Ziel

Prof. Andreas Dellnitz hat sich wissenschaftlich den quantitativen Methoden und der Wirtschaftsmathematik verschrieben. Jetzt erhielt er die Venia Legendi.


Portrait Prof. Andreas Dellnitz Foto: Salome Zimmermann
Prof. Andreas Dellnitz

Wir alle treffen immer wieder Entscheidungen und wägen dabei verschiedene Einflussfaktoren ab. Dadurch kommen wir unserem Ziel mal näher und mal weniger nah. Wie nah jeweils genau, das kann Andreas Dellnitz berechnen. Dazu stellt er mathematische Modelle auf und entwickelt Verfahren, um komplexe Problemstellungen strukturiert zu analysieren und möglichst optimale Lösungen zu finden. Für seine wissenschaftlichen Leistungen auf dem Feld Operations Research hat er nun seine Lehrerlaubnis für Betriebswirtschaftslehre von der FernUniversität bekommen: Prof. Dr. Andreas Dellnitz.

Verbundenheit mit FernUniversität

Akademisch betrachtet ist Andreas Dellnitz ein „FernUni-Gewächs“: An der FernUniversität hat er promoviert und sich habilitiert. Quantitative Methoden und Wirtschaftsmathematik begleiten ihn schwerpunktmäßig schon seit seinem Studium der Ökonomie. Nun gipfelt seine akademische Karriere im Feld quantitative Methoden. Seit 2021 hat der 38-Jährige eine Professur für Operations Research und Computational Social Sciences inne. Damit bewegt er sich an der Schnittstelle von Wirtschaftswissenschaft, Mathematik und Informatik.

Seine Forschungsschwerpunkte liegen vor allem auf multikriterieller Optimierung, (Öko-)Effizienzbewertung, nachhaltigkeitsorientierten Losgrößen und Reihenfolgenplanung sowie sozialer Netzwerkanalyse. Dellnitz nimmt ein Beispiel aus der Produktionswirtschaft. „Da geht es um das Zusammenspiel von Losgrößen und Reihenfolgen bei der Maschinenbelegung; genauer: es geht um die Frage, wann soll welches Gut auf welcher Maschine produziert werden. Das Unternehmen kann dabei nicht nur Gewinnmaximierung im Blick haben, vielleicht möchte es auch Maschinen gleichmäßig auslasten“, erläutert Dellnitz. „Diese beiden Ziele können konfliktär sein und ihre Wechselwirkungen sind zur Entscheidungsfindung zu quantifizieren.“ In diesem Zusammenhang beschäftigen ihn auch Fragen aus dem Bereich Nachhaltigkeit: Wie sind Maschinenbelegungen anzupassen, um Emissionen einzusparen?

Andreas Dellnitz bekommt die Urkunde zur Venia legendi durch den Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft Prof. Gerrit Brösel überreicht. Foto: FernUniversität
Der Dekan der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft, Prof. Gerrit Brösel (li.), freut sich mit Andreas Dellnitz über die Venia legendi.

Wunschstudium Ökonomie

Der Grundstein für Dellnitz Interesse an mathematischen Zusammenhängen war früh gelegt. Dennoch: „Ich habe – wohl wie die meisten – nicht mit Start meines Studiums eine wissenschaftliche Karriere geplant“, sagt er rückblickend. Seine Affinität zu Mathematik bestand schon, zunächst aber wollte Dellnitz nach dem Abitur in Gelsenkirchen Biotechnologie oder Biochemie studieren. Das wäre jeweils zum Wintersemester gestartet; mit seinem Zivildienst allerdings war er pünktlich zum Sommersemester fertig. Zur Überbrückung schrieb er sich für Ökonomie ein und pickte sich alle quantitativen Fächer raus. Aus dem Überbrückungsstudium wurde schnell das Wunschstudium.

Als er 2010 sein Diplom abschloss, hatte er bereits eine Stelle bei einer Versicherung. „Da habe ich gemerkt, dass ich noch mehr Theorie brauche“, erinnert er sich. Zufällig stieß er auf eine Stellenanzeige von Prof. Wilhelm Rödder, der eine wissenschaftliche Hilfskraft auf Teilzeitbasis suchte und die Promotion in Aussicht stellte: Quantitative Methoden und Wirtschaftsmathematik. Dellnitz‘ Augen leuchten noch heute, wenn er davon erzählt. Noch 2010 kam er an die FernUniversität in Hagen, die ihm bis dahin kein Begriff gewesen war. „Das finde ich immer noch unglaublich. Alle sollten sie kennen“, findet er.

Karriere nach dem „FernUni-Modell“

Mit seinem Doktorvater Rödder verstand er sich blendend. „Wir habe uns extrem eng ausgetauscht, das hat viel ausgemacht.“ Dellnitz betreute Abschlussarbeiten und Seminare und programmierte. „Das habe ich an der FernUni wiederentdeckt“, lacht er. Bis zur Promotion liefen berufliche und wissenschaftliche Praxis bei Andreas Dellnitz parallel – das klassische „FernUni-Modell“. „Ich wollte mir alle Wege offenhalten und habe in Teilzeit weitergearbeitet.“

Die FernUniversität passte für Andreas Dellnitz: analytisches Arbeiten plus Anwendung. „An der FernUni war ich frei, ohne ein thematisches Korsett. In meinem Beruf musste ich dagegen einen starken Fokus einnehmen.“ Nach den Stationen als Kapitalanlagencontroller für eine Versicherung, Portfoliomanager bei einer Bank arbeitete er bei einem großen Energieversorger als Senior Quantitative Modeler im Ruhrgebiet. Er entwarf Modelle und schrieb Software, um Gasverträge zu bewerten.

Inzwischen zählen Publikationen mehr als Monografien.

Prof. Andreas Dellnitz über seine Habilitation

Wirtschaft oder Wissenschaft

Im Sommer 2015 schloss Dellnitz seine Promotion ab. Damit stand er an einer Weggabelung: Wirtschaft oder Wissenschaft? Sein gutes Verhältnis zum Lehrstuhlinhaber hatte sich auf Rödders Nachfolger Professor Andreas Kleine übertragen, der 2011 dem Ruf an die FernUniversität gefolgt war. Dellnitz blieb, verschrieb sich der Wissenschaft und wurde Habilitand bei Kleine. Lehraufgaben und Publikationen nahmen einen größer werdenden Raum ein, er habilitierte sich kumulativ. „Inzwischen zählen Publikationen mehr als Monografien“, urteilt Dellnitz. Außerdem hielt er Kolloquien für Doktorand:innen ab.

In seiner Habilitationsphase verfolgte er inhaltlich drei Stränge: Entscheidungsprobleme wirtschafts- und sozialwissenschaftlicher Art, Effizienzbewertung von Wirtschaftseinheiten – „Ich bin heute noch als Gutachter tätig“ – und soziale Netzwerkanalyse. Dabei lässt ihn die sozialwissenschaftliche Sichtweise nicht los, Dellnitz knüpft gern an Max Webers Schriften an.

Früh Lehrerfahrung gesammelt

Die FernUniversität begleitet Andreas Dellnitz auch in Hannover. Für seine aktuelle Stelle an der privaten Leibniz FH war die Lehrerfahrung an der FernUni wertvoll. „Wir haben immer noch ein Online-Semester“, erzählt Dellnitz. Mit FernUni-Emeritus Wilhelm Rödder verbindet ihn weiterhin eine Freundschaft – wissenschaftlich wie privat. Außerdem ist Dellnitz nun Privatdozent an der FernUni und arbeitet weiterhin mit Andreas Kleine im Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt, Nachhaltigkeit.

Das FernUni-Modell führt Dellnitz übrigens weiter: Seit 2019 ist er in Wirtschaftsinformatik eingeschrieben.


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Anja Wetter | 09.03.2022