Historischer Salon: Gesellschaftsgeschichte der Coronapandemie

Wir sind noch mitten in der Pandemie und der Historiker Prof. Malte Thießen wirft bereits einen Blick auf ihre Geschichte. Ein Widerspruch? Das klärt die Veranstaltung am 10. Mai.


Foto: Hanneke Luijting/Moment/GettyImages

Wir sind noch mitten in der Pandemie und der Historiker Prof. Malte Thießen wirft bereits einen Blick auf ihre Geschichte. Ein Widerspruch? Der Leiter des Instituts für westfälische Re­gionalgeschichte im Landschaftsverband Westfalen-Lippe macht sich in seinem Buch „Auf Abstand. Eine Gesellschaftsgeschichte der Coronapandemie“ auf eine historische Spurensuche nach den sozialen Voraussetzungen und Folgen der Pandemie. „Damit schafft er eine notwendige Distanz zur Gegenwart“, sagt Dr. Arndt Neumann aus dem Lehrgebiet Geschichte der Europäischen Moderne an der FernUniversität. Von den Pocken über die Spanische Grippe bis hin zu Aids und Ebola zeichnet Thießen ein Panorama der Seuchen und stellt heraus, was die Krise so besonders macht. Welche neuen Einsichten eine geschichtswissenschaftliche Perspektive ermöglicht, analysiert der „Historische Salon“ am Dienstag, 10. Mai, ab 18 Uhr in einer Online-Veranstaltung über Zoom: https://e.feu.de/historischersalon2204


Der Autor Malte Thießen wird persönlich online teilnehmen. Moderiert wird der Abend durch Lehrgebietsleiterin Prof. Dr. Alexandra Przyrembel und Dr. Arndt Neumann, Wissenschaftlicher Mitarbeiter. Die Veranstaltungsreihe „Historischer Salon – Geschichte im Gespräch“ rückt Bücher in den Fokus, die im Zentrum aktueller geschichtswissenschaftlicher Debatten stehen, und richtet sich an eine interessierte Öffentlichkeit sowie insbesondere an Fernstudierende.

Rückschau auf „multidirektionale Erinnerungen“

Der ersten Historische Salon fand am 27. Januar statt – dem Holocaustgedenktag. Im Zentrum stand Michael Rothbergs Werk „Multidirektionale Erinnerung“, das sich mit Formen des Erinnerns auseinandersetzt. Als Gesprächsgast war Dr. Felix Axster vom Zentrum für Antisemitismusforschung eingeladen: Er begleitete die deutsche Ausgabe von Rothbergs Werk von wissenschaftlicher Seite. Als Literaturwissenschaftler und US-Bürger jüdischen Glaubens bringt Michael Rothberg eine neue Perspektive in den deutschen erinnerungskulturellen Diskurs ein. Er plädiert dafür, dass Erinnern nicht als Nullsummenspiel verstanden werden sollte. Mithin mindere das Gedenken an ein Verbrechen nicht zwangsläufig das Gedenken an andere. Statt von einer „Opferkonkurrenz“ geht er vielmehr von einem produktiven Zusammenhang aus: Verschiedene Erinnerungen können sich solidarisch aufeinander beziehen, etwa die zu Kolonialverbrechen und Holocaust.

Dieser Ansatz, den er als „multidirektionale Erinnerung“ bezeichnet wird in der Wissenschaft und Öffentlichkeit intensiv diskutiert. Entsprechend vielschichtig gestaltete sich auch das Podiumsgespräch. Insgesamt klinkten sich rund 80 Teilnehmende zur Online-Veranstaltung ein. „Erfreulich war insbesondere, dass einige Studierende die Möglichkeit zur Teilnahme genutzt haben“, so Arndt Neumann.

Ausblick auf eine „zerborstene Zeit“

Der nächste Historische Salon findet am 16. Juni 2022 statt. Zu Gast sein wird Prof. Dr. Michael Wildt, der sein neues Buch „Zerborstene Zeit. Deutsche Geschichte 1918–1945“ vorstellt. Als eine „zerborstene Zeit“ schildert Michael Wildt diese knapp 30 Jahre, in denen zwei Kriege ausbrechen und große gesellschaftspolitische Umbrüche passieren. Wildt verbindet die Ereignisstränge der großen Geschichte mit den Erfahrungen und Lebenswelten der Menschen.

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Anja Wetter | 26.04.2022