Digital Health in der Metropole Ruhr: „Der intelligenten Kooperation gehört die Zukunft!“

FernUniversität und Regionalverband Ruhr gaben in einer gemeinsamen Veranstaltung einen aktuellen Überblick über digitale Entwicklungen für die Gesundheitswirtschaft im Ruhrgebiet.


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Die Digitalisierung nimmt auch in der Gesundheitswirtschaft immer schneller Fahrt auf. Einen Überblick über die aktuelle Entwicklung von Digitalisierungstechnologien und -lösungen in der Metropole Ruhr vermittelten die FernUniversität in Hagen und der Regionalverband Ruhr (RVR) in ihrer gemeinsamen Auftaktveranstaltung „Digital Health in der Metropole Ruhr“. Angesprochen wurden in erster Linie Beschäftigte und Interessierte aus dem Bereich Digitalisierung und Gesundheit der öffentlichen Verwaltungen – insbesondere in Gesundheitsämtern –, der Wissenschaft sowie der Wirtschaft. Verschiedene Vorträge und Diskussionsrunden vermittelten aus politischen, wirtschaftlichen, medizinischen und wissenschaftlichen Blickwinkeln Eindrücke von den Chancen und Perspektiven der IT-gestützten Gesundheitsversorgung. Es ging um Health als Zukunftsbranche, Kommunale Perspektiven, Best-Practice Projekte und Forschung und Technik.

„Es ist wirklich eine Premiere, dass wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen können“, betonte die Moderatorin Jeanette Kuhn. Sie konnte rund 100 Interessierte begrüßen, die persönlich oder virtuell in die größte deutsche Universität gekommen waren. „Premiere“ heißt aber auch, dass es weitere Veranstaltungen geben soll. Darin sind sich der RVR und die FernUniversität mit ihrem Partner MedEcon Ruhr – Netzwerk der Gesundheitswirtschaft und dem Beauftragten der Landesregierung für Informationstechnik (CIO) als Unterstützer einig.

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FernUni-Rektorin Prof. Ada Pellert

Prof. Dr. Ada Pellert, die Rektorin der FernUniversität, freute sich in ihrer Eröffnungsrede, dass Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel als treibende Kraft im RVR und sie selbst „zusammenkamen“: „Der intelligenten Kooperation gehört die Zukunft.“

Die FernUniversität stelle immer öfter fest, dass – zum Beispiel bei Berufungen – Nordrhein-Westfalen als sehr attraktiv angesehen wird, so die Rektorin. Die Hochschule und der RVR kooperierten auf verschiedenen Ebenen, um NRW als starken Wirtschaftsstandort „in den Köpfen“ der Menschen zu verankern: „Wir merken, dass die Vernetzung in der Region auch für unsere Forschenden sehr interessant ist.“ Im Zusammenhang mit der Kooperation beim „Virtuellen Krankenhaus Hagen“ habe sich herausgestellt, dass gerade die Digitalisierung des Gesundheitswesens ein interessantes Feld für sie sei.

  • Im Zusammenhang mit dem Virtuellen Krankenhaus befassen sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der FernUniversität zum Beispiel mit der Evaluierung von Telekonzilen, erläuterte Prof. Pellert weiter. Stetige Reflektion, Begleitforschung und Evaluierung seien Kernkompetenzen von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern. „Die Governance digitaler Plattformen ist überall ein Riesenthema, in der Bildung wie in der Gesundheit oder bei sensorbasierten Gesundheitstechnologien“, so die Rektorin. Dies sei eine Spezialität des betriebswirtschaftlichen FernUni-Lehrgebiets Informationsmanagement. Dessen Leiter Prof. Dr. Till Winkler hielt bei der Veranstaltung einen Vortrag über Strategien, Infrastrukturen und Rahmenbedingungen des digitalisierten Gesundheitswesens.

    Interessant sei unter anderem auch die Medizinethik, bei der es um ethische Aspekte des Einsatzes von Technik, insbesondere Künstlicher Intelligenz, in der Medizin geht. Ein mediendidaktisches Projekt dreht sich um digitale Patienteneinwilligungen: „Verstehen wir alles, was wir damit tun?“ Weitere Beispiele für Forschungen mit Bezügen zur Gesundheitstechnik gibt es unter anderem in der Psychologie, in Mathematik und Informatik.

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FernUni-Prof. Till Winkler hielt einen Vortrag über Strategien, Infrastrukturen und Rahmenbedingungen des digitalisierten Gesundheitswesens.

Es gibt also in vielen FernUni-Bereichen Forschungen im Zusammenhang mit der Gesundheit, alle mit spezifischem Blickwinkel. Ada Pellert: „Wir bündeln jetzt die Aktivitäten und schaffen eine Umgebung, in der wir die Vernetzung unterstützen, damit sie noch stärker miteinander und mit den Berufsfeldern ins Gespräch kommen können. Wir haben uns vorgenommen zu schauen, was die digitale Transformation in verschiedenen Berufsfeldern macht – in der Bildung, in der Verwaltung, in der mittelständischen Wirtschaft. Aber eben auch im Bereich der Gesundheit.“ Denn es stellen sich viele ähnliche Fragen in den unterschiedlichsten Bereichen. „Insofern glauben wir, dass aus diesem Miteinander auch etwas entsteht, was man immer für den eigenen Bereich als Inspiration mitnimmt.“

„Eigenständigkeit“ der Verwaltungen versus Digitalisierung

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Prof. Andreas Meyer-Falcke, Beauftragter der NRW-Landesregierung für Informationstechnik

Prof. Dr. Andreas Meyer-Falcke, Chief Information Officer (CIO) des Landes NRW, ist selbst Mediziner. Der Beauftragte der Landesregierung für Informationstechnik sieht die Probleme der Verwaltungsdigitalisierung vor allem im föderalen Staatsaufbau Deutschlands mit dem dreistufigen Verwaltungsaufbau Bund – Länder – Kommunen. In Bund und Ländern verwalten die Ministerinnen und Minister ihre Geschäftsbereiche eigenständig. Für die Kommunen gilt das Prinzip der Selbstverwaltung. Es gebe daher keinen wirklichen Durchgriff von „oben“ nach „unten“.

Dagegen sei Digitalisierung „gelebte Vernetzung“. Sie bestehe aus „Nullen und Einsen“; „Aber eine Null und eine Eins sind keine wie auch immer geartete Information außer einer Null und einer Eins. Das werden sie erst, wenn sie vernetzt sind.“ Das Signal „Eins“, etwa durch das Heben eines Fingers, sei erst dann eine Information, wenn es durch Kontext verstanden werde und „Sinn macht“.

„Jetzt passt aber plötzlich der Gedanke der Digitalisierung mit dem Gedanken ‚Ich bin eigenständige Kommune, eigenständiges Ressort, eigenständiges Land, eigenständiger Bund‘ nicht mehr zusammen“, so Prof. Meyer-Falcke. Es gäbe sehr oft keine Möglichkeit, „von oben“ Anweisungen zu geben, etwa eine bestimmte Software für Gesundheitsämter anzuschaffen. Funktionieren könne Digitalisierung aber bei einem Thema, das alle interessiert. Gesundheit im Sinne von „Nach vorne gucken“, im Hinblick auf gesundheitliche Entwicklungen, interessiere wohl jeden. Wichtig sei gleichzeitig, sich auf eine Region zu beschränken, in der man sich kennt. Also wie die Metropole Ruhr. Zudem müsse noch jemand „den Hut aufhaben“ – eine Person oder eine Institution aus der Region, in diesem Fall der RVR. Sein Fazit: „Was Sie hier in Hagen planen, ist eigentlich der Einstieg in das, was gelingen wird. Glück auf! Ich begleite das mit meinen beiden Hüten, dem digitalen und dem ärztlichen.“

Bedeutung in der Metropole Ruhr

Nach den Worten von Prof. Dr. Julia Frohne – Geschäftsführerin der Business Metropole Ruhr – hat sich das Ruhrgebiet hinsichtlich der Wachstumsmärkte vom „zweibeinigen Riesen“ mit Kohle und Stahl zum „Tausendfüßler“ gewandelt, bei dem die Gesundheitswirtschaft „ganz vorne mitspielt“. Sie sei mit rund 110 Krankenhäusern, mehr als 6.500 Unternehmen und 360.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigten (einschließlich des Pflegebereichs) der größte Sektor im Ruhrgebiet. Zudem habe das Ruhrgebiet eine der ausgeprägtesten Forschungslandschaften. Ein Schwerpunkt seien Datenkommunikation und -sicherheit. Zudem sei es ein wichtiger Standort für Startups. Daraus folge: „Eigentlich sind wir Meister der Transformation!“ Prof. Frohne ist sicher, dass das Themenfeld weiter an Bedeutung gewinnt.

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Prof. Julia Frohne (Business Metropole Ruhr)

Für die digitale Gesundheitswirtschaft prognostiziert sie sogar ein starkes Wachstum: Bis 2025 dürften mehr als 650 Milliarden Euro in diesen Markt gehen, davon 57 Milliarden in Deutschland, das bei der Digitalisierung allerdings besser werden müsse – für bessere Diagnostik und Behandlungen sowie einfachere Planungen. Künstliche Intelligenz ermögliche eine individueller zugeschnittene Gesundheitsvorsorge. Und: „Digitale intelligente Vernetzung ist das, was wir in der Zukunft brauchen.“

Der Aufschlag ist gemacht

Wichtig ist nun, alles das, was die Metropolregion hat, erheblich besser sichtbar zu machen. „Ich finde, es ist ein guter Beginn gewesen, die zahlreichen guten Dinge, die wir hier haben, sichtbar zu machen und mehr voneinander zu erfahren“, zog die Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel ihre Bilanz am Ende der Auftaktveranstaltung. „Wir müssen einfach weitermachen und die vielen Initiativen besser koordinieren!“ Vielleicht mit einer Koordinierungsstelle, wie es sie seit kurzem für die Wasserstofftechnologie gibt? Das könnte nach ihrer Meinung zusammen mit den Fachleuten von MedEcon Ruhr gelingen. Deren Geschäftsführer Leif Grundmann unterstrich: „Der Aufschlag ist gemacht.“ Wichtig sei nun, den kommunalen Sektor in die Vernetzung einzubeziehen. Hier gäbe es, wie von Prof. Meyer-Falcke ausgeführt hatte, noch einigen Handlungsbedarf.

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RVR-Regionaldirektorin Karola Geiß-Netthöfel (re.) und Leif Grundmann (MedEcon Ruhr) mit Moderatorin Jeanette Kuhn
Gerd Dapprich | 10.06.2022