KI-Experte machte Hobby zum Beruf

Knapp 30 Jahre lehrte und forschte Prof. Christoph Beierle an der FernUni. Bereits im Studium wählte er die Künstliche Intelligenz (KI) als sein Schwerpunktthema.


Nach knapp 30 Jahren an der FernUniversität in Hagen verabschiedet sich Prof. Dr. Christoph Beierle in den Ruhestand. Seit 1993 war er an der FernUni und leitete das Lehrgebiet Wissensbasierte Systeme. Christoph Beierle interessierte sich schon früh für Künstliche Intelligenz. In den Siebzigern studierte er in Bonn in einem der ersten Informatik-Studiengänge, die es in Deutschland gab, und in Edinburgh (Schottland) und bearbeitete bereits in seiner Diplomarbeit ein Thema der Künstlichen Intelligenz. Danach promovierte er in Kaiserslautern.

Foto: FernUniversität
Prof. Christoph Beierle (rechts) bei seiner Verabschiedung mit Rektorin Prof. Ada Pellert und Prof. André Schulz (Dekan der Fakultät für Mathematik und Informatik).

Nie der Forschung den Rücken gekehrt

Bevor er an die FernUni kam, arbeitete Beierle mehrere Jahre bei einem amerikanischen IT- und Beratungsunternehmen im Bereich der KI. „In einem großen Projekt ging es zum Beispiel darum, dem Computer das Verstehen natürlicher Sprache beizubringen. Das war eine sehr interessante Erfahrung und es war für mich gut, auch die Perspektive aus der Industrie kennenzulernen“, bilanziert Beierle. Während dieser Zeit hat er der Forschung nie den Rücken gekehrt, sondern weiterhin wissenschaftlich publiziert und auch Lehraufträge an Universitäten wahrgenommen. „Es hat mich aber doch wieder in die Wissenschaft gezogen. Ich habe schon immer angestrebt, an einer Universität zu arbeiten.“ Die Professur Wissensbasierte Systeme an der FernUni passte gut zu seinen Forschungsinteressen.

Modellierung menschlichen Schließens

Beierle konnte während der Jahre eine ganze Reihe von Projekten einwerben, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert wurden. Als übergreifendes Thema ging es dabei immer auch um die Modellierung menschlichen Schließens mit Methoden der Künstlichen Intelligenz. „Wir Menschen können auch bei Vorliegen von vagen, unvollständigen, unsicheren oder sogar widersprüchlichen Informationen plausible Schlussfolgerungen ziehen und Handlungsentscheidungen treffen. Im Bereich der Wissensbasierten Systeme erforschen wir solche Schlussfolgerungen, um sie in Systemen der Künstlichen Intelligenz verfügbar zu machen und das Verhalten von KI-Systemen erklärbar und nachvollziehbar zu gestalten“, berichtet Beierle. Neben der Erforschung der Grundlagen der KI umfasste das Spektrum der Anwendungen, an denen er gearbeitet hat, so unterschiedliche Themen wie die Diagnoseunterstützung bei Tumorerkrankungen, die Lawinenvorhersage, den Spurwechsel beim autonomen Fahren oder die Analyse von griechischen Epen der Antike. „Neben meinem Interesse für die formalen Grundlagen der KI hat mich diese Vielfalt der Anwendungen immer wieder fasziniert.“ Der Erfolg KI-Experten spiegelt sich in zahlreichen wissenschaftlichen Veröffentlichungen wieder; mehrfach wurden seine Beiträge mit einem Best Paper Award ausgezeichnet.

Intentionales Vergessen

Momentan forscht Beierle in dem interdisziplinären DFG-Projekt „Intentionales Vergessen in Organisationen“. „Ich werde auch nach meiner Pensionierung in diesem Vorhaben weiterforschen“, sagt Beierle. Dort es geht um das Vergessen. Der Mensch ist in der Lage, Informationen, die nicht mehr relevant sind, zu vergessen sowie auch relevantes Wissen aus einer „Informationsflut“ herauszufiltern. Maschinen und KI-Systeme können das noch nicht. Daher beschäftigt er sich mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Psychologie und den Wirtschaftswissenschaften damit, wie KI-Systeme von unserem Vergessen profitieren können und wie dies auf Organisationen übertragen werden kann. „Vergessen ist wichtig, damit wir in Zukunft noch sinnvoll mit der Informationsflut umgehen können – und das müssen auch Maschinen erlernen.“

Eine große Vielfalt an Studierenden

Christoph Beierle nimmt viele positive Erinnerungen an seine Zeit an der FernUni mit. Als „Highlight“ hat er immer den persönlichen Kontakt mit den Studierenden empfunden, sei es bei Seminaren, Abschlussarbeiten oder auch in mündlichen Prüfungen. „An der FernUniversität bringen viele schon ein spezielles Hintergrundwissen mit. Zu ganz unterschiedlichen und spannenden Bereichen wie zum Beispiel Medizin, Philosophie oder Pharmazie.“ Über die Jahre verteilt lernte er interessante Menschen kennen. „Mit einigen Studierenden sind gemeinsame Publikationen entstanden, in die sie ihr spezifisches Fachwissen mit einbringen konnten“, sagt Beierle. Diese Vielfalt hat er besonders an der FernUniversität geschätzt: dass hier bereits Schülerinnen und Schüler studieren bis hin zu Personen, die ein Berufsleben hatten und sich im Ruhestand doch noch den „Traum“ vom Studium erfüllen möchten. „Besonders wichtig im Lehrangebot der FernUniversität sind aus meiner Sicht daher auch die Studiengänge, die Quereinsteigern mit einem ganz anderen Hintergrund offenstehen“, betont Beierle. Er hat immer gerne in der Lehre und der Forschung gearbeitet – „Ich habe sozusagen mein Hobby zum Beruf gemacht, und vor allem habe ich mich an der Fakultät für Mathematik und Informatik immer sehr wohlgefühlt.“

Mehr Freiheiten im Ruhestand

Im Ruhestand wird es bei dem FernUni-Professor nicht langweilig. Er möchte weiterforschen und betreut noch Doktorandinnen und Doktoranden. Auch Abschlussarbeiten möchte er im Rahmen des DFG-Projektes noch weiter anbieten. „Ich freue mich aber im Ruhestand selbstbestimmter zu arbeiten, mehr Freiräume zu genießen und insbesondere mehr Zeit für meine Familie zu haben.“

Kolloquium zu Ehren von Prof. Dr. Christoph Beierle

Am Mittwoch, den 24. August 2022, ab 15:30 Uhr wird Prof. Dr. Christoph Beierle für sein langjähriges Wirken an der Fakultät mit einem Kolloquium gewürdigt. Das Kolloquium findet im großen Senatssaal (Gebäude 8, Raum B 121) statt. Die gesamte Veranstaltung wird auch auf Zoom übertragen. Mehr Informationen finden Sie in dieser Meldung.


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