Schweiß für die Forschung

Julia Krönung ist neue Professorin für soziotechnische Informationssysteme an der FernUniversität in Hagen. Ihre Experimente bringen Versuchspersonen zum Schwitzen.


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Prof. Julia Krönung (Mitte) mit FernUni-Rektorin Prof. Ada Pellert und Dr. Jens Wehrmann, Geschäftsführer der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft.

Die innere Einstellung einer Person entscheidet maßgeblich darüber, ob sie ein neues Computerprogramm nutzt oder nicht. Was es dazu braucht, Mensch und Maschine in Einklang zu bringen, erforscht Julia Krönung. Sie ist seit dem 1. August neue Professorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Gestaltung soziotechnischer Informationssysteme, an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaft der FernUniversität in Hagen.

Schon seit ihrer Dissertation beschäftigt sich die 38-jährige Wirtschaftsinformatikerin mit Fragen der IT-Akzeptanzforschung. Ihr Engagement führte bereits zu mehreren groß angelegten Projekten. Bei dem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Projekt Do IT! geht es beispielsweise darum, was Frauen davon abhält, IT-Berufe zu ergreifen. „Wir haben herausgefunden, dass Mädchen sich stark an ihren Müttern orientieren. Wenn Mütter zum Beispiel einen MINT-Beruf haben, haben Töchter höhere Chancen, später selbst ein MINT-Fach zu studieren“, sagt sie, die selbst Mutter von vier Kindern ist. 4, 6, 12 und 15 Jahre alt, zwei Mädchen, zwei Jungs.

Digitale Helfer im Alter: Fluch oder Segen?

Mit ihnen und ihrem Mann, der wie sie Wirtschaftsinformatiker ist, lebt sie in Schwalbach am Taunus. Launig betont sie, dass er sogar der Vater aller vier Kinder sei: „Eine Seltenheit heutzutage, oder?!“ Julia Krönung spielt mit Vorurteilen und balanciert lässig auf der Grenze zwischen Spaß und Ernst. „Unser Rollenverhalten ist absolut entscheidend dafür, ob und welche Fächer und Rollen Mädchen und Jungs sich später zutrauen zu studieren. Daher schadet es unserem älteren Sohn auch nicht, wenn er hin und wieder für die ganze Familie die Wäsche macht, unsere Tochter ist die IT-lerin der Familie und programmiert besser als ich.“

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Julia Krönungs Forschung trägt dazu bei, dass Mensch und Computer zueinanderfinden.

Weniger um Geschlechtsunterschiede bei der Berufswahl, vielmehr um Altersunterschiede im digitalen Zeitalter geht es in einem Großprojekt, das sie im Zuge des Wechsels an die FernUni mitbringt. Es ist in Zusammenarbeit mit der Universität Mannheim und der Universität Heidelberg entstanden und wird von der Carl-Zeiss-Stiftung mit 4,5 Millionen Euro gefördert. Bei Smart Age untersucht sie, wie 1.500 ältere Menschen in ihrer gewohnten Umgebung digitale Geräte, in dem Fall Tablets, nutzen, und wie sie mit bestimmten Apps klarkommen. „Wir beobachten über ein Jahr hinweg, ob sich das Leben unserer Testpersonen verbessert, wenn sie digitale Assistenten nutzen oder nicht.“

Campusstandorte als Forschungslabor

Ein wichtiges Merkmal, das Aufschluss über das Nutzungsverhalten gibt, ist psychischer Stress. Den misst die Wissenschaftlerin über den Leitungswiderstand der Haut mittels Biomarker-Analyse. Dabei wird die Hand der Testpersonen während der App-Nutzung an ein Gerät angeschlossen. „Wenn wir sehen, dass sich die Hautleitfähigkeit einer Versuchsperson erhöht, bedeutet das, dass die Schweißsekretion zunimmt. Und das ist ein Zeichen dafür, dass die Nutzung von Apps und anderen IT-Systemen Stress auslöst und die Anwendung verbessert werden muss.“

Mit ihrer Experimentalforschung fühle sie sich an der FernUniversität sehr gut aufgehoben – zumal sie von jedem Ort aus möglich ist. Speziell den Campusstandort Frankfurt möchte Julia Krönung aufgrund der räumlichen Nähe zu ihrem Wohnort stärker einbeziehen. „Wenn wir schon ein räumliches Netzwerk bestehend aus vielen Standorten haben, können wir gut auch Probandinnen und Probanden für unsere Forschung dort rekrutieren.“

Prof. Julia Krönung Foto: FernUniversität

„Ich weiß, wie herausfordernd ein Studium mit Kind sein kann und fühle mich berufen, Fernstudierende zu unterstützen.“

Prof. Julia Krönung

Bevor Julia Krönung an die FernUni kam, war sie an der privaten EBS Universität für Wirtschaft und Recht tätig, seit 2019 als Senior-Professorin für Wirtschaftsinformatik. Davor hatte sie eine Juniorprofessur an der Universität Mannheim inne und promovierte an der Goethe-Universität in Frankfurt im August 2013. Ihr erstes großes Vorhaben jenseits der Forschung an der FernUni? „Erstmal ankommen“, sagt sie frisch erholt aus ihrem ersten richtigen Urlaub seit der Promotion. Danach hofft sie, sich weiter mit potenziell digital diskriminierten Gruppen beschäftigen zu können. Dazu zählen Frauen und Mädchen und ältere Menschen genauso wie Menschen mit Behinderungen. „Ihnen allen möchte ich hier an der FernUni ein thematisches Zuhause bieten.“

Abschalten ganz ohne Genussmittel

Verbunden fühle sie sich vor allem auch mit den Fernstudierenden. „Sie erarbeiten sich ihr Studium oftmals nebenberuflich, haben Vollzeitjobs und Familie.“ Eine ähnliche Situation wie sie Julia Krönung selbst erlebt hat. Ihr erstes Kind kam während des Studiums, das zweite während sie promovierte. „Ich weiß, wie herausfordernd ein Studium mit Kind sein kann und fühle mich berufen, Fernstudierende zu unterstützen.“ In ihrer Freizeit ist die Professorin gerne mit Mann und Kindern an der frischen Luft. „Unsere Familie hat lauter Snob-Hobbys“, gibt sie selbstironisch zu. „Wir sind sechs Skifahrer, sechs Tennisspieler, sechs Reiter.“ Speziell das Reiten helfe ihr, den Kopf freizubekommen. Da ist sie wieder, diese Mischung aus Spaß und Ernst, während sie schildert, dass ihr im Gegensatz zu anderen Menschen die Genussmittel fehlten, um mal richtig abzuschalten: „Mein Problem ist, dass ich keinen Alkohol mag und keinen Kaffee trinke. Das muss ich anders kompensieren.“


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Sarah Müller | 18.08.2022