„Warum hast du mich so gemacht und nicht anders?“

Menschliches Leben nach Maß: Neue technische Möglichkeiten führen unweigerlich zu bioethischen Fragen. PD Dr. Marcus Knaup hat sich dazu an der FernUniversität habilitiert.


Stilisierte DNA-Probe in Laborschale Foto: Westend61/GettyImages
In seiner Habilitationsschrift diskutiert Marcus Knaup bioethisch hochsensible Themen – etwa den Anspruch der synthetischen Biologie, künstliches Leben herzustellen.

Genome, die am Bildschirm entstehen, Menschen mit Cyborg-Körperteilen – die Grenze zwischen Natur und Technik zu ziehen, das ist angesichts solcher Perspektiven keine leichte Aufgabe. Privatdozent Dr. Marcus Knaup stellte sich der philosophischen Herausforderung in seiner Habilitationsschrift. Nun hat er seine Venia Legendi an der FernUniversität in Hagen erhalten.

Bislang war Knaup wissenschaftlicher Mitarbeiter im Lehrgebiet Philosophie II, Praktische Philosophie: Ethik, Recht, Ökonomie von Prof. Dr. Thomas S. Hoffmann. Als Stipendiat der Alexander von Humboldt-Stiftung setzt er seine Forschungsarbeit für die nächsten 18 Monate im kroatischen Zagreb fort, am Exzellenzzentrum für Integrative Bioethik. Ein konsequenter Schritt für den Wissenschaftler: „Integrative Bioehtik ist ein Forschungsschwerpunkt der Hagener Professur von Prof. Hoffmann – und zählte zu meinen wesentlichen Aufgabenbereichen. Insofern ist das ein schöner, nahtloser Übergang für mich.“

„Studierende haben mir imponiert“

Für den Privatdozenten ist trotzdem klar: „Ich bleibe der FernUniversität verbunden und werde hier auch weiterhin Lehrveranstaltungen anbieten.“ 2013 nahm er seine Tätigkeit im Lehrgebiet von Prof. Hoffmann auf. „Es war eine großartige Zeit“, resümiert Knaup, dessen persönliches Profil von Beginn an perfekt ins Lehrgebiet mit seinem Fokus auf Integrative Bioethik passte. Knaup wurde an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg zum Leib-Seele-Problem promoviert; in Paderborn und Freiburg studierte er Philosophie und Philosophie der Religion sowie katholische Theologie.

„Nach meinem eigenen Präsenzstudium in Freiburg mit einem bunten studentischen Leben war mir ein Fernstudienmodell erst einmal fremd“, räumt Knaup ein. Doch schnell begeisterte ihn das Hagener Modell: „Was mir wirklich imponiert hat hier an der FernUniversität, das waren unsere Studierenden, die mit einer so hohen Motivation dabei sind. Das ist wirklich toll, denn ein Fernstudium ist ja nicht immer einfach, wenn man im ‚stillen Kämmerlein‘ sitzt und Studienbriefe durchzuarbeiten hat – und das alles oft neben Familie und Beruf.“ Entsprechend freut ihn, dass der Kontakt nach Hagen hält, und er hier weiterhin die Grundlagen integrativer Bioethik lehren wird.

Gruppenfoto Foto: FernUniversität
Habilitation an der Fakultät für Kultur und Sozialwissenschaften (v.li.): Dekan Prof. Dr. Peter Risthaus, PD Dr. Marcus Knaup, Gutachter Prof. Dr. Thomas S. Hoffmann und Geschäftsführer Dr. Thomas Walter

Verschiedene Perspektiven zusammenbringen

Doch was zeichnet diesen philosophischen Ansatz aus? „Integrative Bioethik ist multiperspektivisch“, betont der Wissenschaftler. „Es geht ihr darum, Leben in der Vielfalt seiner Erscheinungsformen in angemessener Weise zu berücksichtigen. Multiperspektivität ist angesichts der Herausforderungen, vor die sich eine komplexe, freiheitliche Rechtsgemeinschaft gestellt sieht, einer modernen Wissensgesellschaft, angemessen. Eine beratende, nicht eine befehlende Vernunft, ist für praktische Belange angezeigt.“ Seine Habilitationsschrift „Gewachsenes und Gemachtes. Philosophische Grundlegungen und bioethische Perspektiven“ erscheint bald im Karl Alber Verlag. Sie teilt sich in zwei Gänge. „Im ersten tue ich, was ein Philosoph tun muss, was zu seinem Handwerk gehört: nämlich Begriffsarbeit“, erklärt Knaup. Zum Beispiel konturiert er, was Begriffe wie Leben, Natur oder Technik bedeuten. „Die Philosophie kann hier weitere Perspektiven einbringen als nur die rein naturwissenschaftliche.“

Was ist das eigentlich, wenn wir DNA am Computer herstellen? Liegt das eher im Bereich des Natürlichen oder des Gemachten?

PD Dr. Marcus Knaup

„Heiße Eisen“ der Bioethik diskutiert

Im zweiten Gang geht es um konkrete Anwendungsfragen. Was die Philosophie zur gesellschaftlichen Diskussion und Einordnung beitragen kann, zeigt Knaup anhand kontroverser Themen – von Nano- und Gentechnologie über Fragen der Synthetischen Biologie und Reproduktionsmedizin bis hin zu Herausforderungen des Enhancements. „Es geht um Fälle, bei denen die scheinbar klaren Grenzen zwischen Natur und Technik plötzlich gar nicht mehr so klar sind. Was ist das eigentlich, wenn wir DNA am Computer herstellen? Liegt das eher im Bereich des Natürlichen oder des Gemachten?“ Mit einem Beispiel veranschaulicht Knaup, worin er die Sprengkraft solcher Fragen sieht: „Problematisch wird es, wenn ein Mensch zum Designer eines anderen wird. Ein Mensch verdankt sich dann nicht mehr dem genetischen Zufall, sondern seinem Hersteller – und könnte ihn auch zur Rechenschaft ziehen: Warum hast du mich so gemacht und nicht anders?“

Weltbürger und Kind des Ruhrgebiets

Unterschiedliche Stimmen zusammenzuführen, das gelingt Knaup auch persönlich: Für das Lehrgebiet von Prof. Hoffmann sind zahlreiche internationale Partnerschaften charakteristisch. So führten Forschungsreisen und Kooperationen Knaup zum Beispiel quer durch Europa bis hin nach Asien. Nun freut er sich auf seine Zeit an der Universität Zagreb. Dennoch bleibt Knaup auch in Nordrhein-Westfalen verwurzelt: „Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets, in Dortmund geboren.“ An der Region schätzt er vor allem die große kulturelle Vielfalt. „Ich gehe gerne jede Woche ins Konzert oder in die Oper. Das kann man im Ruhrgebiet besonders gut. Auf der ganzen Welt gibt es kein anderes Ballungsgebiet mit so vielen Opern- und Konzerthäusern wie hier.“

 

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Benedikt Reuse | 09.09.2022