Fichte-Kongress zu „Paradigmen der Rationalität“

Eine Vernunft, viele Vernunftansprüche: Der XI. Internationale Fichte-Kongress wurde von der FernUniversität mit großer Resonanz in Leipzig ausgerichtet.


Foto: Bryan-Joseph Planhof
Vor der Alten Börse in Leipzig (v.li.): Prof. Thomas Sören Hoffmann, Leipzigs Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke und der sächsiche Wissenschaftsminister Sebastian Gemkow

„Paradigmen der Rationalität“ war der Titel des XI. Internationalen Fichte-Kongresses, zu dem vom 28. September bis zum 1. Oktober 2022 die Johann Gottlieb Fichte-Gesellschaft gemeinsam mit der FernUniversität nach Leipzig eingeladen hatte. Mehr als 100 Gäste aus vier Kontinenten nutzten die Gelegenheit, in der schmucken Leipziger Alten Börse, dem prächtigen Ratssaal des Alten Rathauses und auf dem Campusstandort der FernUniversität in kleineren und größeren Gruppen in einen intensiven Austausch über das Werk des aus der Lausitz stammenden Philosophen Fichte (1762-1814) und dessen bleibende Bedeutung zu treten. „Es war beeindruckend zu erleben, wie lebendig und vielfältig das Interesse an Fichte weltweit ist, auf wie hohem wissenschaftlichen Niveau es sich artikuliert und wie sehr es gerade auch von jungen Leuten geteilt wird!“, stellt Prof. Dr. Thomas Sören Hoffmann (Hagen), der Organisator des Kongresses, im Rückblick fest.

Grußworte aus der Politik

Eröffnet wurde der Kongress mit zwei Grußworten aus der Politik. Der sächsische Staatsminister für Wissenschaft, Sebastian Gemkow, sprach davon, dass für seinen eigenen Zugang zu dem Philosophen Fichte dessen Rechtsphilosophie besonders wichtig sei – Fichtes Satz „Der Mensch wird nur unter Menschen ein Mensch“ biete eine wichtige Grundorientierung sowohl für die Ausgestaltung der Rechtsordnung wie auch allgemein für die Politik. Ebenfalls bleibend aktuell sei die Tatsache, dass Fichte Vernunft und Freiheit stets zusammendenke; für sein eigenes Ministerium stelle in diesem Sinne die Wahrung und Garantie der Wissenschaftsfreiheit ein hohes Gut dar. Der Minister versprach, auch in Zukunft für die Belange der Fichte-Forschung ein offenes Ohr zu haben.

Die Leipziger Kulturbürgermeisterin Dr. Skadi Jennicke brachte ihre Freude darüber zum Ausdruck, dass der Internationale Fichte-Kongress erstmals in Leipzig tage. Sie erinnerte daran, dass Fichte selbst in Leipzig studiert habe und ihm hier nach eigenen Worten „eine neue Welt“ aufgegangen sei. Sie sprach davon, dass es in der Rezeptionsgeschichte verschiedene Wahrnehmungen des Philosophen gegeben habe – auch solche, die nicht bei ihm als Freiheitsphilosophen angesetzt hätten. Differenzen sollten öffentlich diskutiert und auch kontextualisiert werden, so die Bürgermeisterin, die selbst Absolventin der FernUniversität ist. Sie begüßte es, dass der Kongress Fichte „in seinen mannigfaltigen Facetten“ betrachte und auch die Öffentlichkeit zur Teilnahme einlade.

Foto: Bryan-Joseph Planhof
Abschlusspanel im Ratssaal des Alten Rathauses Leipzig (v.li.): Prof. Thomas Sören Hoffmann, Prof. Matteo d'Alfonso, Prof. Petra Lohmann und Prof. Marina Bykova

Umfassendes Programm

Den Eröffnungsvortrag hielt der Präsident der Internationalen Fichte-Gesellschaft, Prof. Dr. Matteo d’Alfonso (Ferrara), der der FernUniversität seit einem Aufenthalt als Gastwissenschaftler der Humboldt-Stiftung im Jahre 2019 besonders verbunden ist. D’Alfonso analysierte das neoliberale Paradigma von Vernunft und identifizierte in ihm verschiedene Verkürzungen, die unter anderem durch Fichtes Transzendentalphilosophie korrigiert werden können. An den Folgetagen traf sich der Kongress zu fünf Colloquien und siebzehn Sektionssitzungen, mit denen Themen der Fichteschen Wissenschaftslehre, seiner Ethik und Rechtsphilosophie, der Ästhetik, Rechtsphilosophie, Religionsphilosophie und Logik breit abgedeckt wurden. Eines der Colloquien war ausdrücklich Fichtes Leipziger Zeit gewidmet und eröffnete zahlreiche neue Einblicke aus Expertenmund zu Fichtes intellektueller Biographie. Elisabeth Millán Brusslan (Chicago) und Jimena Solé (Buenos Aires) stellten Stand und Themen der Fichte-Forschung auf dem neuen Kontinent vor. Ein „Deutsch-französisches Nachwuchsatelier“ schließlich bot, gefördert von der Deutsch-französischen Hochschule in Saarbrücken, jüngeren Fichteforschenden insbesondere aus Frankreich und Deutschland Gelegenheit zum Austausch wie auch zum persönlichen Kennenlernen von „Größen“ der Fichte-Forschung.

Nächster Kongress in Ferrara

„Ich habe mich sehr über das große positive Echo am Ende des Kongresses gefreut. Dass organisatorisch, aber auch atmosphärisch eigentlich alles gestimmt hat, ist dabei nicht nur Fichtes gutem Geist und den diskutierten Inhalten zu verdanken gewesen: Es lag nicht zuletzt an dem sehr engagierten Einsatz meines Lehrgebietsteams“, hält Prof. Hoffmann am Abreisetag fest. Zugleich hat die neugewählte Präsidentin der Fichte-Gesellschaft, Prof. Dr. Petra Lohmann (Siegen), eine gute Nachricht bereit: Der nächste Kongress wird, durch Leipzig positiv motiviert, 2025 in Ferrara stattfinden.

Presse | 07.10.2022