Was macht internationale Studierende erfolgreich?

Die FernUniversität beteiligte sich an einem Verbundprojekt, das die Situation von internationalen Studierenden erforscht hat. Ein Bericht bündelt die praxisrelevanten Ergebnisse.


Frau mit Kopftuch schaut auf Smartphone Foto: svetikd/E+/Getty Images
Um Studienabbrüchen entgegenzuwirken, sollten Unis schon vor Einschreibung gut informieren und keine falschen Erwartungen wecken.

Deutschland ist eines der bedeutendsten Gastländer für internationale Studierende. Jahr für Jahr kommen mehr von ihnen an deutsche Hochschulen. Allerdings bringen viele ihr Studium nicht zu Ende: Knapp die Hälfte der Bachelor- und gut ein Viertel der Masterstudierenden aus dem Ausland brechen vorzeitig ab. Eine verschenkte Chance, findet Dr. Julia Zimmermann von der FernUniversität in Hagen: „Wir haben einen großen Fachkräftemangel in Deutschland – vor allem im MINT-Bereich. Deshalb gilt es, das enorme Potenzial, das Studierende aus dem Ausland mitbringen, zu erhalten und zu pflegen.“ Welche Faktoren den Studienerfolg internationaler Studierender in Deutschland fördern, das war Gegenstand eines Forschungsprojekts, das der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) gemeinsam mit der FernUniversität und dem Bayerischen Staatsinstitut für Hochschulforschung und Hochschulplanung (IHF) durchgeführt hat: „Studienerfolg und Studienabbruch bei Bildungsausländerinnen und Bildungsausländern in Deutschland im Bachelor- und Masterstudium“, kurz SeSaBa. Von 2017 bis 2020 wurde ein Studienverlaufspanel mit sechs Befragungswellen durchgeführt, das „das Herzstück der Studie“ bildete, so Teilprojektleiterin Julia Zimmermann. Sie und ihr Kollege Hüseyin Hilmi Yildirim vom Lehrgebiet Bildungspsychologie (Prof. Dr. Kathrin Jonkmann) waren für den psychologischen Part der Erhebung verantwortlich.

4.500 internationale Bachelor- und Masterstudierende von 125 Hochschulen wurden semesterweise dazu befragt, wie sie in Deutschland studieren und leben. „Die Kooperationsbereitschaft der Hochschulen war beeindruckend“, freut sich Zimmermann über die sehr gute Datenlage. Die ausgewerteten Ergebnisse stellt der Forschungsverbund jetzt unter anderem in einem praxisorientierten Leitfaden vor. Gefördert wurde das Projekt vom Bundesministerium für Bildung und Forschung.

Keine einheitliche Gruppe

Die Befragten bilden eine sehr diverse Gruppe. Ihre Biografien lassen sich ebenso wenig in einen Topf werfen wie die von deutschen Studierenden. „Gerade an der FernUniversität wissen wir ja, wie heterogen eine Studierendenschaft sein kann“, vergleicht Zimmermann. Manche der Befragten kommen aus EU-Nachbarländern, andere aus Krisenregionen. Viele haben bereits akademische Vorerfahrung, andere nicht. Einige möchten einfach internationale Eindrücke sammeln, andere suchen eine langfristige Lebensperspektive in Deutschland. Entsprechend vielfältig sind auch die Probleme, mit denen die Studierenden konfrontiert sind. So können Schwierigkeiten bei der sozialen Integration oder falsche Vorstellungen von der Lernkultur einem erfolgreichen Abschluss ebenso im Wege stehen wie finanzielle oder bürokratische Hürden. „Es war uns wichtig, ein Bewusstsein für diese Heterogenität zu schaffen“, so Zimmermann. Die Studie geht darauf differenziert ein.

Frau und Mann arbeiten in Fabrik mit Tablet Foto: Hinterhaus Productions/Stone/Getty Images
Internationaler Wettbewerb: Angesichts des Fachkräftemangels in vielen Branchen ist die deutsche Wirtschaft auf kluge Köpfe aus dem Ausland angewiesen – vor allem im MINT-Bereich.

Früh und ehrlich informieren

Ein Kernbefund ist, dass die Unterstützung für ausländische Studieninteressierte oft zu spät startet. So setzen viele Angebote erst nach der Bewerbungsphase oder der Ankunft in Deutschland an. Nicht selten bestehen von Anfang an falsche Erwartungen an das Studium oder es mangelt an angemessenen Strategien zur Bewältigung der Lernanforderungen. Hier könnten Beratungs- und Trainingsangebote der Hochschulen zum Thema Lernstrategien ansetzen oder Self-Assessments dabei helfen, die persönliche Eignung für ein Studienfach abzuschätzen. Profitieren könnten internationale Studieninteressierte aber auch von persönlichen Austauschformaten mit Landsleuten, die bereits in Deutschland studieren. Subjektive Berichte auf Augenhöhe und niederschwelliges Networking können einen Unterschied machen. Zimmermann: „Selbst, wenn das offizielle Informationsangebot einer Hochschule die besten Absichten verfolgt, handelt es sich oft um eine ziemlich einseitige Darstellung.“

Faktoren außerhalb des Hörsaals

Die Studie zeigt auch auf, welche Bereiche bislang zu sehr unter dem Radar lagen: „Für den Studienerfolg spielen nicht nur klassische akademische Faktoren wie Intelligenz oder das Lernverhalten eine Rolle“, so die Psychologin. „Auch Aspekte wie das Gefühl der Zugehörigkeit zur Hochschule und das Zurechtkommen im Alltagsleben beeinflussen, ob sich eine Person bei ihrem Studienaufenthalt in Deutschland wohlfühlt.“ Angebote, die das Miteinander rund um den Campus stärken, könnten somit indirekt auch dazu beitragen, dass internationale Studierende nicht vorzeitig aufgeben. Grundsätzlich sei die Motivation jedenfalls sehr hoch, rund 70 Prozent der ausländischen Masterstudierenden würden gerne bleiben. „Das wäre super für den Standort Deutschland!“

Forschung geht weiter

Dranbleiben werden deshalb auch die Teams der FernUniversität und des IHF: Seit August 2021 arbeiten sie bereits in einem BMBF-geförderten Folgeprojekt zusammen, das den Fokus auf naturwissenschaftliche Studiengänge legt: „Internationale MINT-Studierende in Deutschland: Das Zusammenwirken von Studienerfolgsprädiktoren auf individueller, Fach-, Hochschul- und kultureller Ebene (InterMINT).“ Trotz des Fokus auf internationale Studierende ist sich Julia Zimmermann sicher: „Wenn es mehr und besser strukturierte Angebote gibt, profitieren vermutlich alle Studierenden davon.“


Benedikt-reuse-2021-kreis


Benedikt Reuse | E-Mail: benedikt.reuse
Online-Redakteur | Stabsstelle Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

 

Das könnte Sie noch interessieren

Benedikt Reuse | 17.02.2022