Gibt es einen Gender-Gap in der Cyber-Security?

Wer wird in der Cyber-Security-Forschung häufiger zitiert – weibliche oder männliche Autoren? FernUni-Professor Jörg Keller analysierte dafür die Publikationen der Branche.


Eine Frau und ein Mann sitzen vor dem PC und diskutieren. Foto: Hinterhaus Productions/Getty Images
Gibt es ein Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männer in der Cyber-Security?

Prof. Dr. Jörg Keller (Lehrgebiet Parallelität und VLSI) forscht an der FernUniversität im Bereich Cyber-Security und vergibt regelmäßig Masterarbeiten zum Thema. Gemeinsam mit Prof. Dr. Steffen Wendzel (Hochschule Worms), der auch Lehrbeauftragter der FernUni ist, betreute er die Masterarbeit des Absolventen Nico Mayer. Er analysierte über 11.600 Publikationen im Zeitraum von 2011 bis 2020. „Prof. Wendzel und ich publizieren beide regelmäßig im Bereich Cyber-Security und haben uns gefragt, ob es dort ein Ungleichgewicht zwischen Frauen und Männern gibt“, sagt Prof. Keller. Einen „Gender Gap“ in der Informatik erkennt der Professor schon. „Es gibt viel weniger Frauen als Männer, die in der Informatik tätig sind. Das beginnt leider schon in der Schule und zieht sich bis zu den Promovierenden durch.“

Analyse von Fachzeitschriften

In der Masterarbeit von Nico Mayer wurden die „Top fünf“ der wichtigsten Tagungen und Fachzeitschriften im Bereich Cyber-Security analysiert. „Dabei haben wir uns auf zwei große Rankings bezogen. Die Informatik ist noch eine recht junge Wissenschaft und daher gibt es noch nicht die ‚Top-Journale‘ wie in anderen Disziplinen“, erklärt Keller die Auswahl. Die Forschenden untersuchten, wie viele Artikel mit Beteiligung von Frauen publiziert worden sind. Dabei gab es auch eine Schwierigkeit, denn in den Artikeln stehen nur die Namen der Autor:innen. Bei einigen Vornamen sei es relativ einfach gewesen diese einem Geschlecht zuzuordnen, andere erschienen uneindeutig. Hier half eine Künstliche Intelligenz weiter, die die Namen verlässlicher einem Geschlecht zuweisen konnte. Artikel, bei denen das nicht möglich war, ließen die Wissenschaftler außen vor.

Prof. Keller hält symbolisch ein Schloss für das Thema Cyber Security ind er Hand. Foto: Volker Wiciok
Prof. Jörg Keller lehrt und forscht an der FernUniversität unter anderem zum Thema Cyber-Security.

Keine Diskriminierung feststellbar

„Die gute Nachricht: Wir konnten keine Diskriminierung nach Geschlechtern feststellen. Zwar publizieren weniger Frauen Artikel in der Cyber-Security, aber es entspricht dem Anteil an Frauen, die in dem Bereich tätig sind,“ sagt Prof. Keller. Bei der Auswertung variieren die Zahlen teilweise stark. Das betrifft die Anzahl der veröffentlichten Artikel der Publikationen und Tagungen. Während einige Fachzeitschriften wenig publizieren, veröffentlichen andere im Vergleich sehr viele Artikel. Ein Beispiel ist das Verhältnis von 192 Artikeln zu 2.023 Artikeln einer anderen Publikation. Zudem gibt es den Unterschied der Haupt- und Co-Autorschaft. „1/6 der Hauptautor:innen waren Frauen, der Anteil entspricht den Studierendenzahlen und ist besser als die Zahl der Frauen, die tatsächlich an Hochschulen oder in der Wirtschaft arbeiten. Bei den Co-Autor:innen konnten wir ein ähnliches Bild feststellen“, sagt der FernUni-Professor.

Kein eindeutiger Trend bei Zitation

Neben der Anzahl der veröffentlichen Artikel haben sich die Wissenschaftler angeschaut, wie oft Frauen und Männern in der Cyber-Security zitiert werden und somit eine Relevanz in der Community erhalten. „Auch hier variieren die Zahlen sehr stark. Es gibt Jahre, in denen Frauen öfter als Männer zitiert werden und andersherum. Es lässt sich kein eindeutiger Trend ableiten und keine eindeutigen Vorteile eines bestimmten Geschlechts wissenschaftlich feststellen.“ In der Analyse stellten sie allerdings fest, dass einige wenige Arbeiten einen großen Teil der Zitate ausmachen und diese stammen öfter von männlichen Autoren oder zumindest von einem Mann als Hauptautor. Allerdings gilt dies auch für kaum und gar nicht zitierte Arbeit – auch dort sind die Hauptautoren eher männlich.

Weibliche Autorinnen erreichen demnach mit ihren wissenschaftlichen Leistungen noch keine so große Resonanz wie männliche Autoren. Das kann sich aber noch ändern, meint Prof. Keller: „Mein subjektiver Eindruck ist, dass in den letzten Jahren mehr Frauen in der Informatik und auch in der Cyber-Security arbeiten.“

Gerne möchten Prof. Jörg Keller und sein Kollege Prof. Steffen Wendzel weiter im Bereich Bibliometrie (Lehre der Messung von wissenschaftlichen Publikationen) forschen. „Zum Beispiel könnten noch mehr Publikationen über einen längeren Zeitraum untersucht werden oder die Analyse könnte noch präziser ausfallen mit Möglichkeiten der Statistik“, meint Keller. Viele Studierende an Kellers Lehrgebiet interessieren sich für das Themenfeld Cyber-Security – einige schreiben hierzu ihre Abschlussarbeiten. Daher könnte Keller sich gut vorstellen, weitere Masterarbeiten oder Promotionen im Bereich Bibliometrie zu vergeben.


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