Corona und Klima – zwei Krisen, eine Strategie?

Der gut besuchte Politische Salon Hagen lieferte unter dem Titel „Klimaneutraler Umbau der Wirtschaft“ einen konstruktiv-kontroversen Diskussionsabend im Emil Schumacher Museum.


In ihrem Buch „Covid-19: Der große Um­bruch“ – 2020 vom Weltwirtschaftsforum herausgegeben – fordern die Autoren Klaus Schwab und Thierrey Malleret eine Neugestaltung der weltweiten Gesellschaft und Wirtschaft nach ökologischen, solidarischen, inklusiven und ethischen Prinzipien. Schon die literarische Grundlage des Abends, zu dem FernUniversität, Schumacher Museum und Theater Hagen eingeladen hatten, gab Anlass zu kritischer Auseinandersetzung: Ist das Buch bloß trivial und polemisch oder meinungsstark und leidenschaftlich?

Leidenschaftlich und lebhaft war auf jeden Fall die Diskussion entlang der großen Linien Klimaschutz, Energieressourcen und -träger, Ordnungspolitik und Umverteilung – im Kleinen wie auf globaler Ebene. Die Corona-Krise bildete dafür den Hintergrund.

Klimaschutzgesetz: Maßnahmen unzureichend

Politikwissenschaftlerin Prof. Dr. Annette Elisabeth Töller von der FernUniversität dämpfte den aufkeimenden Optimismus des Buches, dass nun alles anders und vor allem besser werden könne. „Langfristig führen Krisen nicht zu Veränderungen. Die Pandemie hat uns allerdings gravierende Einschnitte vor Augen geführt und sensibilisiert uns für Gefahren, die auch durch den Klimawandel auf uns zukommen.“

Auf die wiederum reagiere die Politik zu inkonsequent. Beispiel Klimaschutzgesetz: Das wurde auf Druck des Bundesverfassungsgerichts angepasst, allerdings ohne die dringend erforderlichen Maßnahmen dafür festzulegen. „So sind die Reduktionsziele nicht zu erreichen“, kritisiert Töller. Sie ist Mitglied des Sachverständigenrats für Umweltfragen, der Empfehlungen für die Umweltpolitik der Bundesregierung erarbeitet. „Ausgerechnet in der Klima- und Umweltpolitik kommt immer was dazwischen. Dann wird die Industrie im Kanzleramt vorstellig und die Maßnahmen verschwinden aus dem Programm.“

Foto: Andriy Onufriyenko/Moment/Getty Images
Weniger CO2 verbrauchen: Den eigenen Fingerabdruck so grün wie möglich zu halten, ist ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz.

„Klein-klein“ versus globale Lösungen

Kommt es im Kampf um den Klimawandel überhaupt auf Deutschland an? Wie steht es mit der Verantwortlichkeit: Staat, Industrie, Einzelne? An diesen Fragen schieden sich ebenfalls die Geister auf dem Podium und im Auditorium, das sich rege beteiligte. Die Empfehlungen zu Reduktion und Verzicht stoßen auf Forderungen nach einem Weiter-so und mehr Wachstum. Während die einen auf Technologie setzen, um die Folgen des Klimawandels abzumildern, mahnen die anderen den schonenderen Umgang mit Ressourcen an.

Prof. Dr. Görge Deerberg appellierte: „Wir brauchen den Austausch, den Diskurs zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft – so wie heute Abend hier.“ Der Chemieingenieur ist zusammen mit seiner Kollegin Töller an der FernUniversität in den Studiengang Umweltwissenschaften sowie in den Forschungsschwerpunkt Energie, Nachhaltigkeit, Umwelt eingebunden. Er spricht sich für globale Lösungen und finanzielle Anreize aus, um den Umstieg auf andere Energieträger voranzubringen. Für den Umbau der Wirtschaft sei künftig mehr Strom notwendig – aus welcher Ressource am nachhaltigsten?

Wasserstoff-Hype

Die regionale Stahlindustrie setzt dabei auf Wasserstoff. Das Hagener Kaltwalzwerk hat bereits ein eigenes Netz aufgebaut und plant weiter auszubauen. Podiumsteilnehmer Dr. Heino Buddenberg, Technischer Geschäftsführer bei C. D. Wälzholz. „Wir wollen Klimaneutralität im eigenen Unternehmen.“

Wasserstoff als zukunftsträchtiger Ersatz für fossile Brennstoffe oder doch nur heiße Luft? Wissenschaftlerin Töller zieht ein aktuelles Gutachten des Sachverständigenrats heran. Es warne vor dem „Wasserstoffhype“ und plädiere dafür, den Einsatz stark zu begrenzen – „und insbesondere auf ökologische sowie soziale Kriterien zu achten“.

Fazit

Zum Ende des Politischen Salons fasste Schirmherr Andreas Meyer-Lauber zusammen: „Die Lage ist offenkundig so komplex, dass wir sie nur gemeinschaftlich bewältigen können. Wir brauchen den gesellschaftlichen Zusammenhalt.“ Das ist wohl der gemeinsame Nenner beider Krisen.

 

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Anja Wetter | 13.09.2021