Die Macht der Ratingagenturen

Ratingagenturen und ihre Bewertungen: Oft nehmen wir die Analysen als selbstverständlich hin. PD Dr. Thomas Matys untersuchte das Thema und erhielt dafür die Venia Legendi.


Dr. Thomas Matys interessierte sich in seiner Habilitation insbesondere aus soziologischer Sicht für die Entwicklung und den Einfluss von Ratingagenturen: „Ratings und Organisation im Finanzmarktkapitalismus. Genese – Praktiken – Felder“. Matys ist Lehrbeauftragter an der FernUniversität und war wissenschaftlicher Mitarbeiter im Lehrgebiet Soziologie II - Soziologische Gegenwartsdiagnosen von Prof. Dr. Vormbusch. Das Lehrgebiet erforscht Strukturen und Dynamiken moderner Gegenwartsgesellschaften. Dazu dienen Bereiche wie unter anderem der Finanzmarktkapitalismus.

Vier Personen stehen nebeneinander. Dr. Thomas Matys hält eine Urkunde in den Händen. Foto: FernUniversität
Sie freuen sich gemeinsam über die Venia Legendi von Dr. Thomas Matys - Prof. Dr. Jürgen G. Nagel (links), Prof. Dr. Dorett Funcke und Dr. Thomas Walter (rechts).

„Ratings begleiten unser Leben“

Da lag das Thema von Thomas Matys nahe: „Ich hatte mir auch überlegt, über die Schuldenlage in Griechenland zu schreiben, aber dann habe ich mich entschieden, die Entwicklung der Ratingagenturen aus organisationssoziologischer Sicht zu betrachten.“ Wie allgegenwärtig das Thema Rating ist, zeigt sich in unserer Gesellschaft. „Ratings begleiten uns das gesamte Leben und werden oftmals als selbstverständlich wahrgenommen“, sagt der Wissenschaftler. Als Privatperson wird unsere Kreditwürdigkeit eingestuft, Betriebe sowie Länder werden bewertet. „Es gibt anscheinend einen Bedarf, Phänomene oder Handlungen zu beziffern.“ Wenn eine Ratingagentur ein Unternehmen oder ein Land bewertet, steht letztendlich eine Zahl da. „Welche Werte oder welche Regularien dahinterstecken, um diese Zahl zu errechnen, ist teilweise nicht transparent. Die wenigsten möchten sich die 20 Seiten durchlesen, in der Werte erklärt werden“. Das Vertrauen in die Bewertungen und der Expertise von Ratingagenturen ist hoch.

Mann hält eine Urkunde in der Hand. Foto: FernUniversität
Dr. Thomas Matys untersuchte in seiner Habilitation aus soziologischer Sicht die Entwicklung und den Einfluss von Ratingagenturen.

Selbstverständlichkeiten hinterfragen

In der Soziologie werden solche Selbstverständlichkeiten hinterfragt. „Ratings machen es Menschen leichter, sich eine Meinung über ein Unternehmen oder ein Land zu bilden. Dadurch entsteht politische Macht.“ Um diese weltweit auszuspielen haben Ratingagenturen im Zusammenspiel mit weiteren Akteurinnen und Akteure ein globales Netzwerk etabliert. „Ein schlechter Ratingwert wie zum Beispiel der von Griechenland führte dazu, dass Staatsanleihen nicht mehr gekauft wurden. Schlechte Ratings können auch Staatspleiten auslösen.“

Das System der Ratingagenturen funktioniere seit Jahrzehnten gut. Matys ist daher gespannt, ob sich Prozesse durch die angespannte weltpolitische Lage verändern. „Es gibt drei große Ratingagenturen, die den Finanzmarkt maßgeblich beeinflussen. Sie führen 95 Prozent aller globalen Ratings durch und zwei davon sind klar dem Westen zugeordnet. Man wird schauen, wie sich der Finanzmarkt entwickelt.“

In seiner Habilitation untersuchte er die Entwicklung der hauptsächlich amerikanischen Ratingagenturen. Ursprünglich wurden diese gegründet, um Daten zur Kreditwürdigkeit von anderen Organisationen zu sammeln und diese wiederum an weitere Organisationen weiterzugeben. Die Bewertungen hingen früher maßgeblich von der Inhaberin oder dem Inhaber der Unternehmen ab – war diese oder dieser vertrauenswürdig? „Mittlerweile gehören viele Unternehmen oder Organisationen zu Konsortien, die Besitzverhältnisse sind nicht immer transparent oder nur nach aufwändiger Recherche sichtbar.“ Es fand insgesamt ein Wechsel von qualitativen zu quantitativen Daten statt, die in die Bewertungen einfließen. Seine Habilitation, an der er seit 2018 neben seinen Lehrgebietsaufgaben gearbeitet hat, soll bald publiziert werden.

Zur Person

Dr. Thomas Matys studierte Sozialwissenschaften und promovierte 2011 zum organisationssoziologischen Thema „Legel Persons – Kämpfe um die organisationale Form“ an der Bergischen Universität Wuppertal. Er war wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrgebiet „Soziologie II/Soziologische Gegenwartsdiagnosen“ (Prof. Dr. Uwe Vormbusch) im Institut für Soziologie der FernUniversität und übernimmt als Lehrbeauftragter weiterhin Lehraufträge an der FernUni. Am 16. März 2022 erhielt er für seine wissenschaftliche Leistung die „Venia Legendi“.

 

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