CATALPA: Forschungszentrum mit neuem Namen auf Wachstumskurs

Die Digitalisierung bringt viele Möglichkeiten mit sich, gerade in der Lehre und für das Lernen. Jedoch: Wie nutzen Hochschulen sie am besten und im Sinne Lehrender und Lernender?


Foto: Adyna/DigitalVision Vectors/Getty Images

Um die 60 Wissenschaftler*innen beschäftigen sich aktuell bei CATALPA an der FernUniversität in Hagen mit dieser und vielen weiteren Fragen. Vor einigen Jahren entwickelte sich hier zunächst ein Forschungsschwerpunkt für Digitalisierung, Diversität und Lebenslanges Lernen – kurz D²L². Inzwischen ist dieser Schwerpunkt aus dem ursprünglichen Namen herausgewachsen und setzt als Forschungszentrum unter dem Namen CATALPA gezielt einen Fokus auf adaptive Lerntechnologien – also Plattformen, die sich an die Studierenden individuell anpassen. Sie können zum Beispiel dabei helfen, zu rekapitulieren, welche Studieninhalte noch nicht gut verstanden und darum vertiefend behandelt oder wiederholt werden sollten. Der neue Name CATALPA – Center of Advanced Technology for Assisted Learning and Predictive Analytics – ist bereits seit einiger Zeit Programm in Hagen.

Bestmögliche Lernumgebung – mit Vertrauen und Transparenz

Das Forschungszentrum schafft das nötige Wissen, um mit digitalen Technologien zur bestmöglichen Form des Lernens zu gelangen. Dabei berücksichtigt es immer auch die Diversität von Lernenden und Lehrenden. Letztendlich ist das Ziel, dass mit der Unterstützung von digitalen Technologien Lehrenden mehr Kapazitäten bleiben, um auf ihre Studierenden einzugehen und Studierende ihr Potenzial bestmöglich ausschöpfen. Dabei betrachten die CATALPA-Forschenden künstliche Intelligenz (KI) und Predictive Analytics zwar als hilfreiche Tools für Lehren und Lernen. Sie sind aber keinesfalls Selbstzweck und stets unter den höchsten ethischen Gesichtspunkten einzusetzen. Bereits 2020 entstand so aus dem AI.EDU Research Lab, einem der ersten Kernprojekte des heutigen Forschungszentrums, ein Whitepaper in dem 14 Wissenschaftler*innen u. a. Stellung beziehen zu KI und Ethik im Hochschulkontext. Wichtige Aspekte sind: immer wieder kritisch zu prüfen, ob Richtlinien wie etwa die Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) eingehalten werden, Aufklärung und Transparenz.

Darum arbeiten CATALPA-Wissenschaftler*innen z.B. auch mit Datentreuhändern. Zudem adressieren die Forschenden proaktiv sensible Themen. So führen Prof. Dr. Claudia de Witt und Prof. Dr. Stefan Stürmer und ihre Teams derzeit eine Befragung an der FernUni durch, um die Meinungen und Sorgen von Studierenden und Lehrenden einzubeziehen. Die Studie ist Teil einer Kooperation zwischen den CATALPA-Projekten NOVA:ea (gefördert von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre) und IMPACT (gefördert vom Bundesministerium für Bildung und Forschung BMBF).

Foto: Torsten Silz

Neue Impulse durch neue Forschungsprofessur

Im März 2022 holte das Forschungszentrum Prof. Dr. Torsten Zesch als Forschungsprofessor mit seinem Team nach Hagen. Mit ihrer Arbeit in der Computerlinguistik tragen sie zum Beispiel dazu bei, Handschriften künftig mit Hilfe einer künstlichen Intelligenz erkennen zu können. Lehrende müssten dann nicht mühsam Klausuren entziffern, sondern sparen Zeit beim Korrigieren; Zeit, die sie in die Betreuung ihrer Studierenden investieren können. Ein anderes Beispiel: Im von BMBF geförderten Projekt „Einsatz von KI zur Früherkennung von Straftaten“ geht es darum, Hassrede im Netz mit Hilfe von KI aufzudecken. Eine Technologie, die auch in Lernforen Anwendung finden könnte, um toxische oder destruktive Muster sichtbar zu machen.

Da jedoch die bloßen technischen Möglichkeiten nicht immer direkt eine Hilfestellung darstellen, arbeiten am Forschungszentrum Wissenschaftler*innen interdisziplinär zusammen. Psycholog*innen und Bildungswissenschaftler*innen schauen zum Beispiel genau hin, welche Studierenden welche Art Unterstützung brauchen, um erfolgreicher lernen zu können. Manchmal könnten beispielsweise kurze Reflexionsübungen zu Beginn des Semesters ausreichen, um für Gruppenarbeiten die Interaktion zwischen Studierenden und damit ihre Erfolgsrate zu verbessern. Darauf deuten bereits andere Studien hin. Bei CATALPA wird eruiert, wie solche Interventionen aussehen sollten. In insgesamt zehn Projekten entstehen so unter anderem Prototypen für die Praxis, die im Rahmen der FernUni-Lehre erprobt werden.

Prof. Friedrich Hesse, Wissenschaftlicher Direktor CATALPA Foto: Hardy Welsch

Die neue Forschungsprofessur im Bereich der Computerlinguistik, aber auch unsere Projekte, die sich mit künstlicher Intelligenz in der Bildung und adaptiven Lernplattformen beschäftigen, werden mit dem neuen Namen CATALPA besser ausgedrückt. Diese Einschätzung trug auch unser international besetzter Beirat mit, sodass es jetzt zum neuen Namen kam.

Prof. Friedrich Hesse, Wissenschaftlicher Direktor CATALPA

Aktuell ist bereits die nächste Ausschreibung für eine Professur im Bereich Learning Analytics am Forschungszentrum auf dem Weg. Learning Analytics ist die durch Software gestützte Analyse von Daten, die im Zusammenhang mit dem Studium entstehen. Genutzt werden solche Daten unter anderem, um Studierende in ihrem Lernfortschritt zu unterstützen. Eine Studie aus dem Projekt APLE zeigt: Lehrende können mit Hilfe von Learning Analytics zum Beispiel feststellen, ob und wie häufig zur Verfügung gestellte Kursmaterialien von ihren Kursteilnehmern genutzt werden, ob ihre Übungsaufgaben funktionieren, wie gedacht und akzeptiert werden. In die Blackbox des online Lernens kommt Licht und Lehrende können mit Hilfe der Daten besser auf Studierende eingehen.

Exzellenter Nachwuchs mit spannender Forschung

Ohne Nachwuchs kein Erfolg für die Zukunft. Darum bekommen im Forschungszentrum Postdocs die Chance, mit Personalverantwortung an eigenen Forschungsthemen zu arbeiten. Mittlerweile gibt es drei solcher Nachwuchsgruppen bei CATALPA. Die Gruppe Stereotype Threat beschäftigt sich mit der Gefahr von Stereotypen, also verallgemeinernden Zuschreibungen, für den Lernerfolg. In der Gruppe Multimedia untersuchen die Forscherinnen den Einsatz von Multimedia für unterschiedliche Lernsituationen. Jüngst hinzugekommen ist Dr. Andrea Horbach mit ihrer Gruppe EduNLP. Sie arbeitet mit ihrem Team an der Frage: Wie können wir Lehrende und Lernende dadurch unterstützen, dass wir Texte, die Lernende produzieren, automatisch auswerten? Dabei geht es vor allem darum, Lernenden konkretes Feedback zu geben. Dozent*innen sollen durch diese Möglichkeiten nicht durch Computer ersetzt und Studierende künftig nur noch von Maschinen bewertet werden. Viel eher ließen sich diese Möglichkeiten nutzen, um Übungsaufgaben effizienter und hilfreicher zu gestalten.

Mit konkreten Erkenntnissen und praktischer Hilfe

Nicht nur auf einer individuellen Ebene können wissenschaftliche Erkenntnisse dazu beitragen, dass Studierende erfolgreicher lernen können. Auch für die Gruppenebene erschien erst kürzlich eine Arbeit aus dem CATALPA-Projekt DivAdapt. Projektleiter Prof. Dr. Stefan Stürmer und Dr. Jan-Bennet Voltmer fanden mit ihren Kolleginnen Dr. Natalia Reich-Stiebert und Jennifer Raimann heraus, dass zu unterschiedlich zusammengesetzte Gruppen (z.B. Alter, Herkunft und Erfahrung betreffend) Nachteile in einer computergestützten Lernumgebung erfahren. Sie interagierten deutlich weniger miteinander als homogenere Gruppen und erzielten auch schlechtere Ergebnisse in der Benotung. Diese wichtigen und konkreten Erkenntnisse zeigen an: Hier sollten Maßnahmen zur Unterstützung ergriffen werden. Wie genau diese aussehen können, das wird in weiterer Forschungsarbeit untersucht. Die Studie schaffte es in das renommierte Journal „The Internet in Higher Education“.

 

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Sandra Kirschbaum | 06.09.2022