„Ich erwarte eine Klagewelle“

Bernhard Kreße ist neuer Professor für Energierecht an der FernUni. Fragen zu steigenden Preisen für Gas, Strom und Wasser machen seine Fachrichtung zu einer gefragten Disziplin.


Foto: FernUniversität
Bernhard Kreße bei seiner Ernennung. Im Hintergrund sein Arbeitsplatz: die Rechtswissenschaftliche Fakultät

Noch bevor er richtig angefangen hat, ist ihm bewusst, dass es viel zu tun gibt. Bernhard Kreße ist seit September Professor für Energierecht an der FernUniversität in Hagen. Wenn man in diesen unsicheren Zeiten überhaupt von einer glücklichen Fügung sprechen mag, dann ist es die, dass er die Fakultät für Rechtswissenschaft mit seiner Expertise bereichert. „Ich glaube, dass ich in dieser Hinsicht in einer guten Zeit anfange, weil der Bedarf an energierechtlichem Austausch gerade gigantisch ist“, sagt der 50-Jährige.

An seinem Lehrstuhl Bürgerliches Recht und Wirtschaftsrecht insb. Energierecht will er sich den vielen brisanten Fragen zur Versorgungssicherheit mit Strom, Gas und Wasser sowie zu deren Preisgestaltung widmen. Rechtlich prüfen wird er zum Beispiel, inwieweit Energieversorger höhere Preise auf ihre Kundinnen und Kunden umlegen dürfen. Kreße vermutet: „Das ist zwar rechtlich machbar, dennoch werden unterschiedliche Gerichte hier zu unterschiedlichen Urteilen kommen.“ Spannend sei außerdem, welche juristischen Folgeprobleme sich aus der Rechtsprechung ergeben und ob Verbraucherinnen und Verbraucher mehr zahlen müssen, wenn sie Festpreis-Verträge abgeschlossen haben. „Ich erwarte eine Klagewelle“, lautet seine nüchterne Einschätzung.

Energierecht und Medizinrecht

Anknüpfungspunkte findet Bernhard Kreße mit energierechtlichen Themen auch an andere Rechtsgebiete. „Breit aufgestellt zu sein, ist etwas, das mir schon immer gut gefallen hat.“ Und da kann der Forscher, dessen Netzwerk weite Teile der Energiewirtschaft und -wissenschaft umspannt, viel bewirken. Geplant ist nicht nur, an den Forschungsschwerpunkt Energie, Umwelt & Nachhaltigkeit (E/U/N) anzudocken, sondern auch, im Rahmen von Energierecht-Tagungen, Personen aus Wissenschaft und Wirtschaft an der FernUni zusammenzubringen, um aktuelle energierechtliche Probleme anzugehen. „Denn im Energierecht gilt noch viel mehr als in manch anderer Fachrichtung: Wenn Sie an der Praxis vorbei forschen, nützt das wirklich niemandem etwas.“

„Die Studierendenschaft in Hagen ist sehr besonders und darauf freue ich mich.“

Prof. Dr. Bernhard Kreße

Doch das Energierecht ist nicht alles, womit sich Bernhard Kreße beschäftigt. Darüber hinaus hat er großes Interesse am Medizinrecht und möchte die Weiterentwicklung aktueller medizinrechtlicher Fragen vorantreiben, etwa zu KI-gestützten Behandlungsmethoden oder zum Selbstbestimmungsrecht bei Minderjährigen. „Sollen nicht volljährige Personen selbst entscheiden dürfen, ob sie sich operieren lassen?“, ist so eine Frage. „Wenn einem 15-Jährigen eine Warze entfernt wird, ist das rechtlich sicher weniger brisant, als wenn er eine hormonell unterstütze Operation zur Geschlechtsumwandlung vornehmen lassen möchte“, sagt der Forscher, der schon auf entsprechende Entscheidungen der Obergerichte oder des Bundesgerichtshofs wartet, um sie einordnen und kommentieren zu können.

„Ich wäre nirgendwo lieber als an der FernUni“

Bis er das als Professor der FernUniversität tun kann, war es ein langer Weg. Von 2004 an war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Bürgerliches Recht, Unternehmensrecht und Rechtsvergleichung (Prof. Dr. Ulrich Wackerbarth), 2019 wurde er zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Davor, von 2015 bis 2016, war er Vertretungsprofessor für Wirtschaftsrecht an der Technischen Universität Dortmund und wurde dort 2017 zum Akademischen Oberrat auf Lebenszeit ernannt. Zuvor übernahm er Lehrstuhlvertretungen an verschiedenen Universitäten, darunter das Karlsruher Institut für Technologie, die Goethe-Universität Frankfurt und die Universität Heidelberg.

Habilitiert hat er sich an der FernUniversität, promoviert an der Universität zu Köln. Dort wurde ihm 2013 die Lehrbefugnis für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht sowie deutsches und europäisches Wettbewerbsrecht, Medizinrecht und Rechtsvergleichung erteilt. Studiert hat Bernhard Kreße ebenfalls in Köln und an der Universität Paris I (Panthéon-Sorbonne). Mit dem ersten und zweiten Staatsexamen schloss er sein Studium ab.

Foto: Volker Wiciok
Bernhard Kreße an einem seiner Lieblingsorte auf dem Campus: der Universitätsbibliothek

Noch immer hält er Kontakt zu Frankreich, besucht regelmäßig Tagungen in Montpellier und Straßburg und pflegt freundschaftliche wissenschaftliche Kontakte dorthin. „Aber ganz ehrlich, ich wäre nirgendwo lieber als an der FernUni. Für mich ist es wie ein Nach-Hause-Kommen.“ Ein Ritterschlag von jemandem, der an vielen renommierten Unis studiert, gelehrt und geforscht hat und gebürtig aus der schönen Universitätsstadt Münster kommt. Doch bei allen Vorzügen, die vielleicht andere Städte und andere Unis mitbringen, sind es die Lebenswege der Fernstudierenden die für ihn den Unterschied machen. „Junge Leute im Hörsaal haben auch etwas für sich, das ist sicherlich ein Wermutstropfen, aber die Studierendenschaft in Hagen ist sehr besonders und darauf freue ich mich.“ Disziplin, Eigenverantwortung und Engagement scheinen ihm bei den oftmals berufstätigen Studierenden besonders ausgeprägt. „Das ist eine Hagener Spezialität.“

Blackout muss nicht sein

Auf dem Campus treffen würde man Bernhard Kreße außerhalb seines Büros vermutlich in der Universitätsbibliothek, der Mensa oder zum fachlichen Austausch bei einem Kollegen oder einer Kollegin im Büro. Gesellig mag er es auch in seiner Freizeit. So würde er von seiner Wohnung in Dortmund zu einem Wanderausflug in das Ruhrgebiet oder Sauerland starten und idealerweise immer ein paar Freunde oder seine Familie einpacken.

Wenn er liest, darf es etwas stiller sein – sowohl in der Umgebung als auch die Literatur an sich. Marc Elsberg gehört mit seinem Roman Blackout, in dem er das Szenario eines europaweiten Stromausfalls beschreibt – obwohl fachlich passend –, nicht unbedingt dazu. Wohl aber zählt er Martin Suter, Benedikt Wells oder Hermann Lenz zu seinen Lieblingsschriftstellern. Und wenn er nicht gerade selbst auf der Klarinette oder dem Klavier musiziert, besucht Bernhard Kreße die Oper. „Das ist etwas, das mir immer wieder Vergnügen macht – gerne auch in Hagen.“ Und wie sollte der perfekte freie Tag für einen bald viel beschäftigten Professor am besten ausklingen? „Kulinarisch!“ Da hat er ein deftiges Schnitzel ebenso gern wie die gehobene französische Küche. „Die Richtung ist eigentlich egal, lecker muss es sein.“

 

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Sarah Müller | 19.09.2022