Weiterbildung zu Heldenreisen im Film

In einem zweiteiligen Online-Workshop analysieren Jun.-Prof. Irina Gradinari und Prof. Michael Niehaus gemeinsam mit den Teilnehmenden die Grundlagen filmischer Heldenreisen.


Das Muster der Heldenreise findet sich in allen möglichen Filmgattungen wieder – etwa im Genre der Space Opera. Foto: Johann Grange/EyeEm/GettyImages
Das Muster der Heldenreise findet sich in allen möglichen Filmgattungen wieder – etwa im Genre der Space Opera.

Easy Rider, Star Wars, Harry Potter, Avengers – Kinoklassiker wie diese haben ganze Generationen geprägt. Aus kulturwissenschaftlicher Sicht sind solche populären Filme wichtig. Sie emotionalisieren, inspirieren, politisieren und unterhalten. In ihrer Vielfalt sprechen sie verschiedenste Geschmäcker an. Von jedem Streifen erwarten die Zuschauenden dabei etwas Neues und Eigenes. Dennoch haben viele erfolgreiche Produktionen – ob Roadmovie, Fantasyfilm oder Weltraum-Epos – etwas gemeinsam: Sie folgen der inneren Struktur einer Heldenreise, wie sie schon der amerikanische Mythenforscher Joseph Campbell 1949 in seinem Werk Der Heros in tausend Gestalten konturiert hat. „Campbell hatte dabei eigentlich Mythen aus der Ethnologie im Kopf. Populär geworden ist das Modell jedoch, weil Drehbuchschreiberinnen und -schreiber aus Hollywood erkannt haben: ‚Genauso so ist es in beliebten Filmen!‘“, weiß Prof. Dr. Michael Niehaus. Er und Jun.-Prof. Dr. Irina Gradinari bieten an der FernUniversität in Hagen gemeinsam eine zweiteilige Online-Weiterbildung zum Thema an. „Das Heldenreisen-Modell ist auch so grundlegend geworden in Hollywood, weil Christopher Vogler 2007 aus Campbells Werk ein Skript entwickelt hat, wie man Drehbücher schreibt – The Hero’s Journey“, erklärt Irina Gradinari.

Entlang theoretischer Meilensteine wie diesen analysieren die Teilnehmenden gemeinsam mit den beiden Forschenden verschiedene Beispiele aus der Filmgeschichte. Durch die kulturwissenschaftliche Betrachtung lernen sie, das Modell der Heldenreise in seinen Spielarten und Grenzen zu verstehen, zu erklären und für eigene Kontexte fruchtbar zu machen. Die Online-Workshops finden am 19. und 26. November 2022 statt – jeweils von 10 bis 15 Uhr. Verortet ist das Angebot am Institut für Wissenschaftliche Weiterbildung der FernUniversität.

Breite Zielgruppe

Für die Tagesseminare können sich alle Interessierten anmelden. In erster Linie richten sie sich an Studierende mit inhaltlichem Bezug, Kreative, Kulturschaffende (etwa aus den Bereichen Kino, Theater und Kleinkunst) oder Lehrkräfte aller Schularten: „Wir möchten unbedingt Lehrerinnen und Lehrer ansprechen. Unserer Ansicht nach wird in vielen Schulen noch zu wenig auf eine medienästhetische Ausbildung wert gelegt“, betont Gradinari. Oft würden Filme sogar zu Unrecht gegenüber anderen Medienformen abgewertet. „Im Sinne einer kulturwissenschaftlichen Filmanalyse wollen wir den Teilnehmenden eben nicht nur ein Vokabular an die Hand geben, mit dem sie Filme beschreiben können, sondern auch vermitteln, dass das Verstehen von der Filmbeschaffenheit eine kulturelle Relevanz hat.“

Helden wider Willen

Der Einfluss des Heldenreise-Modells ist groß. „George Lucas hat sein Drehbuch für Star Wars umstrukturiert, nachdem er das Buch von Campbell gelesen hat“, nennt Michael Niehaus ein Beispiel für die Faszination des Ansatzes. „Und Christopher Vogler war selbst maßgeblich bei Disney-Produktionen beteiligt.“ Dabei ist es oftmals gar nicht so leicht einzugrenzen, was nun eigentlich eine Heldenreise ist – oder nicht ist. Das Konzept wird in alle Richtungen gedehnt, auf andere Medien übertragen oder erzählerisch gebrochen. „In manchen Filmen gibt es dann nur noch eine Reise im übertragenden Sinne – zum Beispiel ins Innere“, so der Literatur- und Medienwissenschaftler. Auch der Held muss nicht zwingend als abenteuerlustiger Ritter auftreten. So kann er genauso durch eine besondere Aufgabe oder Wendung zum Helden wider Willen werden. „Mit unserem Workshop wollen wir das Modell natürlich auch diskutieren und kritisch hinterfragen“, weist Gradinari zudem als Gender-Forscherin hin. „Im Titel haben wir bewusst darauf bestanden, dass es nicht ‚Held*innen‘ heißt, weil das Modell tatsächlich auf die Reise eines Helden ausgerichtet ist. In Filmen mit reisenden Frauen läuft häufig alles aus dem Ruder.“

Populärkultur analytisch ernst nehmen

„Ich würde mich freuen, wenn die Teilnehmenden durch das Seminar den Wert von Genrefilmen höher einschätzen“, formuliert Gradinari eines ihrer Ziele. „Es gibt nach wie vor eine große Ablehnung der Populärkultur, obwohl sie für alles Mögliche richtungsweisend ist.“ Sie plädiert für eine Erweiterung der Medienkompetenzen, die wiederum ein besseres Verständnis für aktuelle westliche Kultur(en) mitbringt. Niehaus möchte sowohl den Blick für etablierte Erzählmuster in Filmen als auch deren kalkulierte Durchkreuzung schärfen: „Die Abweichung von der Erwartung ist ja Teil des Programms. Welche Variationen gibt es und welche Schlüsse lassen sich daraus ziehen? Zum Beispiel, wenn statt eines weißen Helden eine schwarze Heldin auftritt?“

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Benedikt Reuse | 02.11.2022